IMHO :-) Verkehr
 

"Luft zum Atmen!"

 

Steht die Evolution vor einem Durchbruch? Führt das
Doppelparken schließlich zu einer höheren Stufe des
Autofahrerseins, dem "Sechserparker"? Von Bettina Trulk

In den neunziger Jahren wurde das
"Umzugsfaking" populär, eine Metho-
de der Parkplatzsicherung, die von
findigen Freiburger Studenten in
Mode gebracht wurde und bundes-
weit schnell Nachahmer fand: Sobald
man einen Parkplatz verläßt, stellt
man zwei im Kofferraum bereitgehal-
tene Klappstühle verbunden mit ei-
nem rotweißen Absperrband auf die
freie Stelle und versieht diese zusätz-
lich mit einem Pappschild: "Umzug!
Bitte freihalten - vielen Dank!" Kehrt
man nach einigen Stunden oder viel-
leicht sogar erst Tagen zurück, ist der
Parkplatz noch frei und man verstaut
die Stühle wieder im Kofferraum.
Diese harmlose List wurde von den
anderen Verkehrsteilnehmern zu Be-
ginn noch schmunzelnd hingenom-
men. Als aber Aldi anfing, zwei
Stühle, Absperrband und ein Papp-
schild als "Parkset" für 8,90DM zu
verschleudern, wurde ein Verkehrs-
problem daraus, denn viele Autofah-
rer führten zur Sicherheit gleich meh-
rere solcher "Parksets" mit. Bald
waren die Straßenränder der Innen-
städte gesäumt mit vergessenen
Klappstühlen, und als verzweifelte
Parkplatzsucher bis in die Vorgärten
der Verkehrsminister vordrangen,
wurde "Umzugsfaking" verboten.
Verglichen mit dem jetzt in Mode
gekommenen Doppelparken mutet
die kleine Gaunerei der Freiburger
Studenten fast rührend harmlos an.
Denn seit neben "Warmduscher" und
"Sitzpinkler" auch das Schmähwort
"Einzelparker" in Umlauf gekommen
ist, mag sich niemand mehr dem Ver-
dacht aussetzen, er sei nicht in der
Lage das kleine bißchen Egoismus,
auf das jeder ein Menschenrecht hat,
durchzusetzen.

Im Dschungel des Großstadtver-
kehrs zeigt der moderne Wilde sein
animalisches Temperament durch
Beanspruchung von zwei Parkplätzen
für seinen Wagen, und Autofahrer mit
Hut, die beim Verlassen ihres gerade
abgestellten Fahrzeugs auf den Zuruf:
"Verschwinden Sie! Ich hab die bei-
den Parkplätze zuerst gesehen!" mit
der verständnislosen Antwort reagie-

ren: "Wieso? Hinter meinem Wagen
ist doch noch genug Platz für Ihren!",
sollten besser vorher einen Termin
bei ihrem Zahnarzt machen.

Trotz reger Nachfrage weigern sich
Volkshochschulen aber noch, Kurse
für Doppelparker anzubieten, da sie
diese Art des Parkens generell für
fragwürdig halten. Der Ratgeber
"Doppelparken - aber richtig!"
schaffte allerdings bereits den Sprung
in die Bestsellerlisten. Sehr begehrt
unter Doppelparkern ist eine Mitglied-
schaft im "Allgemeinen Deutschen
Doppelparker-Club" (ADDC), doch
die Aufnahmebedingungen sind
streng, Grundkenntnisse in Geometrie
unbedingte Voraussetzung.

Die innere Struktur des ADDC ist
wie in einem Geheimbund streng
hierarchisch gegliedert: Die Novizen

werden als sogenannte "Zweier"
bezeichnet, die sich durch entspre-
chende Schulungen und Verdienste
um das Doppelparken den Rang
eines "Dreiers" oder gar "Vierers"
erwerben dürfen.
Fünferparken allerdings wird im
ADDC nicht gern gesehen. Daniel
Doppler, Sprecher des Doppelpar-
ker-Clubs begründet dies so: "Der
ADDC kann seine berechtigten
Interessen als gesellschaftlich rele-
vante Kraft langfristig nur dann durch-
setzen, wenn er von der Bevölkerung
akzeptiert wird. Fünferparken ist viel
zu anarchisch und unordentlich und
schadet daher unserem Ansehen."
Die höheren Weihen des innersten
Führungszirkels des ADDC erreicht
aber erst der "Sechser". Nur ihm ist
das Sechserparken gestattet, und er
darf dies durch eine stolz am Wagen
angebrachte große Sechs dokumen-
tieren.

Für alle Normalbürger ohne beson-
dere Wünsche und Träume, die nie
etwas Außergewöhnliches im Leben

erreichen wollen, mag der Kick des
Sechserparkens nur schwer nachvoll-
ziehbar sein. Diese spießigen Durch-
schnittsbürger können wohl nur den
Kopf schütteln über die Schwärme-
reien von Charlie Parker, dem Gene-
ralsekretär des ADDC: "Ich brauche
Platz! Ich brauche Luft zum Atmen!
Auf dem normalen Parkplatz eines
Einzelparkers hätte ich das Gefühl zu
Ersticken! Aber wenn ich mit meinem
Wagen in der Mitte eines sechsfa-
chen Parkplatzes stehe, dann über-
kommt mich ein ungeheures, unbe-
schreibliches Gefühl von Freiheit!"

Auf der Suche nach diesem kleinen
Stück persönlicher Freiheit kurvt Par-
ker oft stundenlang durch die Stadt.
Doch wenn er dann endlich einen
Sechserparkplatz gefunden hat, be-
lohnt ihn sein Hirn mit einer wuchtigen

Ladung von Endorphinen, und das
Glücksgefühl ist groß. Parker nimmt
sein Klapprad aus dem Kofferraum
und radelt im Hochgefühl der gerade
erbrachten Leistung beseelt nach
Haus.


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1. Normalparker 2. Doppelparker 3. Dreierparker 4. Viererparker 5. Chaotisches, vom ADDC offiziell
nicht genehmigtes Fünferparken 6. Die hohe Schule der persönlichen Freiheit: Sechserparken!