IMHO :-)  

Von A nach B

Gerichtsreporter Enrico Scottini über
die Lehrerin Juliane Werding und ihren Kampf um
gesellschaftliche Rehabilitation

Klagen wegen ungerechtfertigten
Ausschlusses aus Vereinen gehö-
ren zum Alltag der Zivilgerichte.
Doch diesmal geht es um eine
Fahrradfahrerin, noch dazu eine,
die jahrelang ehrenamtliche Pres-
sesprecherin des Clubs deutscher
Fahrradfahrer (CFF) war.

Wenn ein Mensch* einer Ge-
meinschaft angehört, einem Ver-
ein, einer Partei oder einer links-
radikalen Sekte, so hat er sich an

*Die Namen von Menschen sind der
Redaktion bekannt

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gewisse Konventionen zu halten.
Dies gilt insbesondere dann,
wenn er eine hohe Position in
dieser Gemeinschaft bekleidet.
Und hier liegt die Tragik der
Offenbacher Lehrerin Juliane
Werding (33), sie hat es gut ge-
meint, doch mußte sie schließlich
straucheln im Gestrüpp der Er-
wartungen des CFF einerseits
und der StVO andererseits.

In der Präambel des CFF heißt
es, es müsse das höchste Ziel
eines Radlers sein "so schnell

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wie möglich von Punkt A zu Punkt
B zu gelangen, koste es, was es
wolle." Diesem Anspruch konnte
eine Persönlichkeit wie die Offen-
bacher Lehrerin irgendwann nicht
mehr gerecht werden. Nachdem
sie dabei beobachtet worden war,
wie sie mit ihrem Velo bei Rot an
einer Ampel gewartet hatte, ein an-
dermal, wie sie trotz eines breiten
Gehwegs über Kopfsteinpflaster
geholpert war, hatte sie sich in der
TV-Gesprächsrunde "Kalk im
Turm" zunächst noch wortreich
verteidigt: Sie sei farbenblind und
daher bei Rot nicht losgefahren,
und im Übrigen möge sie "das
bißchen Geholper auf Kopfstein-
pflaster" ganz gern.

Eine Woche später aber war
Werding unter den bohrenden Fra-

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gen des Tagesthemenmoderators
Guildo Horn zusammengebrochen


Immer weniger Ordnungshüter
lassen diese Ausrede gelten

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und hatte schluchzend gestanden,
daß auch Vorder- und Rücklicht
ihres Rades völlig intakt seien.

Daß dieses Geständnis ihren
unverzüglichen Ausschluß aus dem
CFF bewirken würde, mußte ihr
klar sein. Doch war es auch rech-
tens? Mit dieser Frage wird sich
jetzt das Oberlandesgericht Hagen
zu befassen haben.

Als einer der ersten Zeugen wur-
de letzte Woche Peter Radunski
gehört, ein Mann der in den Siebzi-
ger Jahren - damals noch Autofan -
bundesweit als "Robin Hood des
Verkehrs" bekannt wurde. ("Ich
nehme den Reichen die Vorfahrt
und gebe sie den Armen!") Zur Sa-
che hatte er nur wenig beizutragen.
Dem Publikum wird allerdings im

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Gedächtnis bleiben, wie er sich
bei seiner Befragung in Rage
redete: "Wir Velociraptoren sind
ständig brutalen Verfolgungen von
Seiten der Autofahrer ausgesetzt.
Hilflos und wenig wehrhaft führen
wir unseren verzweifelten Daseins-
kampf. Haben wir nicht nachgera-
de die Pflicht, auf Bürgersteigen
Terrain zu erkämpfen? Aus Fuß-
gängern können irgendwann Auto-
fahrer werden." Und während ihn
die Saalwache aus dem Zeugen-
stand zerrte, rief er noch immer mit
Schaum vor dem Mund: "Wir müs-
sen sie TÖTEN, TÖTEN, TÖTEN!"

Ein Sachverständigengutach-
ten,
das nächste Woche erwartet
wird, wird nun zu klären haben, in-
wieweit das ungewöhnliche Ver-
halten der Lehrerin Werding auf
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einer freien Willensentscheidung
oder möglicherweise einer Obses-
sion beruht, die auf ein frühkindli-
ches Trauma zurückzuführen ist.

Mittlerweile trat die Offenbacher
Lehrerin die Flucht nach vorn an:
"Ich habe sogar schon einmal
Nachts bei Regen auf menschen-
leerer Straße mit einem vollkom-
men heilen Fahrrad bei Rot an ei-
ner Ampel gewartet!" outete sie
sich. Ein Experte für Wahrschein-
lichkeitsrechnung zieht die Wahr-
haftigkeit dieser Aussage jedoch
in Zweifel: Das Eintreten eines
solchen Ereignisses sei "unwahr-
scheinlicher als eine Pommes-
Bude auf dem Mars!"

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