IMHO :-) Datumsproblem
 

Gefährliche Geschwulst

Monatelang lebten meine Haushaltsgeräte und ich
friedlich zusammen, bis sie dann am 1. Januar 2000
völlig durchdrehten. Von Enrico Scottini

Viele meiner Redaktions-Kollegen
sagen, ich sei ein Kommunikations-
Junkie, aber das stimmt nicht. Ich bin
nur ein Mensch, der mit der Zeit geht.
Wenn ich irgendwo bin, bleibe ich ei-
ne Weile da, doch mit der Zeit gehe
ich dann. Aber zur Sache: Als vor eini-
gen Monaten Zeitungsberichte über
intelligente Haushaltsgeräte erschie-
nen, war ich wie vom Donner gerührt.
Genau so etwas hatte ich mir immer
gewünscht. Und da ich kürzlich im
Lotto einen Banküberfall geerbt hatte,
war ich in der finanziellen Lage meine
Kieler Altbauwohnung in ein elektri-
sches Paradies zu verwandeln.
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Diese wunderbaren Haushaltsgerä-
te lasen mir alle Wünsche von den Au-
gen bzw. von der Oberflächenspan-
nung der Haut ab. Endlich brauchte
ich absolut nichts mehr selbst zu tun
und hatte stattdessen Zeit für - irgend-
etwas anderes. Beim Fernsehen zum
Beispiel entfiel das lästige Zappen,
denn die Fernbedienung suchte das
Programm selbst aus. Meine Haus-
haltsgeräte und ich verbrachten eine
herrliche Zeit miteinander. Bis zu - ja,
bis zu diesem verfluchten Neujahrs-
morgen, als das Jahr-2000-Problem
mit grausamer Härte zuschlug.
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"Einen wunderschönen guten Mor-
gen!" begrüßte mich mein Radio-
wecker. "Wir schreiben den 1. Januar
1900. Zunächst unser Buchtip: Dem-
nächst erscheint 'Die Traumdeutung'
von Sigmund Freud. Bißchen viel Sex
aber sonst ganz interessant. Wir
möchten Sie außerdem schon jetzt
warnend darauf hinweisen, daß in
schätzungsweise 33 Jahren ein ge-
wisser Adolf Hitler die Macht ergrei-
fen wird." Diese falsche Datumsansa-
ge war noch der kleinste Programm-
fehler. Kaum hatte ich mich angezo-
gen, da ermittelten die Sensoren mei-
nes Pullovers, daß meine Körpertem-
peratur auf 5 Grad gesunken sei.
Nach der alten Volksweisheit "Füße
warm, Kopf kalt, macht den besten
Doktor alt" erhöhte die Fußbodenhei-
zung daraufhin die Temperatur auf 80
Grad, während ein Gebläse die Luft in

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Kopfhöhe in milden minus 35 Grad
hielt.

Unterdessen hatten meine Hemd-
manschetten automatisch Blutdruck
und Puls gemessen und einen Puls
von 300 bei gleichzeitigem Herzstill-
stand an die Kaffeemaschine gemel-
det. Diese mischte darum dem Kaf-
fee einen hochdosierten Cocktail aus
Aufputschmitteln und Tranquilizern
bei. Kurz nach Genuß dieses Kaffees
torkelte ich am ganzen Körper zitternd
und derilierend aufs Klo. Die Klobrille
erkannte mich zwar noch richtig am
charakteristischen Abdruck meines
Gesässes wieder und säuselte
freundlich: "Hallo Enrico, hier spricht
deine Klobrille!" Doch anstatt mir
dann wie üblich "Viel Spaß beim
Kacken" zu wünschen und mir an-
schließend die aktuellen Börsennotie-

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hallo, hier spricht dein klo

rungen vorzulesen, begann sie mit
französischem Akzent ein Gedicht
von Walther von der Vogelweide
rückwärts vorzusingen. Wahrschein-
lich war dies aber nur eine Halluzina-
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tion, die auf der Einnahme der im Kaf-
fee enthaltenen Substanzen beruhte.

Ich war noch nicht mit meiner Not-
durft fertig, als draußen ein lautes Lalü
ertönte und kurz darauf zwei Notärzte
erschienen, die mich vom Klo zerrten
und auf eine Krankentrage legten.
Denn mein Klo hatte meine Ausschei-
dungen analysiert und die Ergebnisse
an die Uni-Klinik gesendet. Das Ana-
lyseprogramm hatte eine gefährliche
Geschwulst in meinen Eierstöcken
ermittelt. In der Klinik angekommen,
war schon alles für die Entfernung
meiner Eierstöcke vorbereitet, und
das Operationsteam, das sich aus
Spezialisten aus USA, Hongkong und
Italien zusammensetzte, die über In-
ternet die Instrumente steuern sollten,
war bereit.
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Doch dann verlangte ein Überwa-
chungsprogramm den Abbruch. Ihm
war auf Grund meines Namens aufge-
fallen, daß ich männlichen Ge-
schlechts war. Daraus zog es zu
Recht die Vermutung, daß die Wahr-
scheinlichkeit für das Vorhandensein
von Eierstöcken nur gering sei.

'Gut, daß man sich auf Computer-
programme verlassen kann', dachte
ich, als ich erleichtert durch den grau-
en Neujahrsmorgen heimwärtsstapfte.
Leise rieselte der Schnee.

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Satireinhals Satireinhals

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